20 April 2021
Vilmar Pellisson – Branding und UX, die neue Welt, in der wir leben
Der auf eine bemerkenswerte Erfolgsbilanz bei Agenturen der Gruppen WPP, Publicis, Havas, Dentsu und Accenture sowie bei Unternehmen wie The Economist und Trivago Vilmar Pellisson zurückblicken kann, ist seit kurzem Creative Director bei Total Design und legt seinen Schwerpunkt auf Markenwahrnehmung, menschenzentriertes Design und schlanke UX.
In São Paolo, Brasilien, geboren und aufgewachsen, arbeitete er in den letzten zwei Jahrzehnten im Ausland in Städten wie Turin, Prag, London und seit kurzem auch in Amsterdam.
„Ich kam zu Total Design, um das Designstrategie-Team zu verstärken, eine Brücke zwischen Branding- und UX-Disziplinen innerhalb des Unternehmens zu schlagen und eine schlanke Methodik in die Markenentwicklung einzuführen, einschließlich agiler Arbeitsweisen, Workshop-Moderation und Zusammenarbeit zwischen dezentralen Teams, mit besonderem Augenmerk auf der Nutzerzentrierung im Bereich Markenwahrnehmung.
Im Laufe der Jahre habe ich an vielen Projekten gearbeitet, auf die ich stolz bin. Hierzu gehören Markenwahrnehmungs- und Aktivierungsprogramme für Unternehmen wie Adidas und McDonald’s, Designsysteme für die BBC und The Economist sowie Tech-for-Good-Initiativen wie NoraCare – eine sprachgesteuerte Benutzeroberfläche für Betreuer von Demenzkranken.
Ein weiteres Beispiel sind die mobilen Web-MVP, die mein Team im Trivago Innovation Lab einführte. Unser Ziel war die Kombination der anonymisierten Nutzerdaten von Trivago mit geografischen Datenpunkten von Drittanbietern, um Personen für Kurzurlaube zu finden und zu begeistern. Wir richteten uns mit sozialen Beiträgen an die Nutzer am oberen Ende des Marketingtrichters. Wir leiteten sie zu unseren mobilen Anwendungen weiter, um außergewöhnliche, abgelegene Ziele und Sehenswürdigkeiten zu finden, die leicht mit dem Auto, dem Zug oder sogar dem Bus zu erreichen waren. Zuletzt konnten sie die Unterkunft über die Kernplattform von Trivago buchen. Durch die Entwicklung „kampagnenfähiger“ digitaler Produkte versuchten wir, einen nachhaltigen Mechanismus zur Publikumsgewinnung zu schaffen und die Markenwahrnehmung insgesamt zu verbessern.
Interessanterweise erwiesen sich diese Ideen im Kontext der Pandemie als vorausschauend, da aufgrund der aktuellen Einschränkungen lokale Reisen die realistischste Urlaubsoption wurden“.
UX begegnet Branding
Ich betrachte Branding und User Experience als zwei Seiten derselben Medaille. Sie sind nicht immer auf einer Wellenlänge, es sei denn, jemand sieht sich beide Seiten an. Die Methoden beider Disziplinen haben ihre eigenen Vorzüge und Stärken und können zu fantastischen Ergebnissen führen, wenn wir sie kombinieren.
Im Mittelpunkt des User-Experience-Konzepts steht das unablässige Bemühen, die Bedürfnisse des Nutzers, die zu erledigenden Aufgaben, die Schmerzpunkte und dergleichen genau zu verstehen. Wenn wir den Nutzer verstehen, decken wir Probleme und unerfüllte Bedürfnisse auf, die in Geschäftsmöglichkeiten umgewandelt werden können.
Da UX sehr stark mit der digitalen Entwicklung verknüpft ist, kommen häufig agile Methoden, validiertes Lernen und schnelle Feedbackschleifen zum Einsatz, die mit der Geschwindigkeit der technologischen Beschleunigung Schritt halten. Man schaue sich beispielsweise etablierte Tech-Unternehmen wie Amazon, Booking.com, Facebook oder Google an. Alle führen Jahr für Jahr Zehntausende von Experimenten mit Nutzern aus. Das für seine Kundenbesessenheit berüchtigte Unternehmen Amazon zum Beispiel führt alle 11,6 Sekunden eine Aktualisierung durch.
In dem Maße, wie sich die Wettbewerbsbedingungen für unsere Kunden ändern, muss sich auch das Branding ändern. Und ich glaube, dass die dem Nutzererlebnis zugrundeliegenden Prinzipien eine unglaublich wirksame Strategie darstellen, um schneller erfolgreiche Ergebnisse zu erzielen. Darum geben wir bei Total Design unserem kreativen Prozess einen Impuls, indem wir interdisziplinärer, kollaborativer, evidenzbasierter und datengestützter werden.
Der neue Goldstandard
„Eine neue Generation von Unternehmensleitern macht sich diese ganzheitliche Sichtweise der Markenwahrnehmung zu eigen, die auf Produktebene anstelle von Kommunikation oder visueller Identität ansetzt. Das Produkt ist die Marke und umgekehrt. Man nehme zum Beispiel Airbnb. Der Mitgründer und CEO des Unternehmens, Brian Chesky, der übrigens einen Abschluss in Design hat, vertritt dazu eine interessante Ansicht. Seiner Meinung nach liegt einer der Hauptgründe für den Erfolg seines Unternehmens darin, dass es wissenschaftliche Methoden mit kreativen Prozessen verbindet. Damit können sie den Nutzern bei jedem Schritt des Weges durch die Plattform denkwürdige Erlebnisse vermitteln.
Ich behaupte, dass Markendesigner ihre Fähigkeit, zu überraschen und zu begeistern, noch weiter ausbauen können, wenn sie beispielsweise versuchen, Methoden aus dem Bereich Lean UX und menschenzentrierte Designprinzipien in ihre Arbeitsweise zu integrieren und ein wenig mehr wie Wissenschaftler zu denken. In der Praxis bedeutet das, dass wir aufgeschlossen bleiben und akzeptieren, dass unsere Ideen und Lösungen als Annahmen zu verstehen sind, die in der realen Welt getestet und ständig verbessert werden müssen. Das ist das grundlegende Merkmal eines auf den Menschen ausgerichteten Ansatzes.
Wie der Physik-Nobelpreisträger Dr. Richard Feynman einst erklärte: „Wenn es nicht mit dem Experiment übereinstimmt, ist es falsch.“